Du hast vielleicht schon von der Carnivore-Diät gehört – einer Ernährungsweise, die derzeit vor allem in sozialen Medien und Gesundheitsforen viel Aufmerksamkeit bekommt. Besonders viele ehemalige Veganer scheinen sich in diese Richtung zu orientieren, oft aus Frust über gesundheitliche Probleme, die sie während ihrer veganen Zeit erlebt haben. Aber ist der Umstieg auf eine rein tierische Ernährung wirklich die bessere Lösung? Lass uns gemeinsam einen kritischen Blick darauf werfen.
Was ist die Carnivore-Diät?
Bei der Carnivore-Diät besteht deine Ernährung ausschließlich – oder nahezu ausschließlich – aus tierischen Produkten: Fleisch, Fisch, Eier, Innereien und manchmal auch Milchprodukte. Pflanzen, Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte – all das fällt weg. In ihrer "strengen" Form beinhaltet die Diät sogar nur Fleisch und Wasser.
Das Ziel: Entzündungen reduzieren, Autoimmunerkrankungen lindern, den Darm entlasten und allgemein das Wohlbefinden verbessern. Die Verfechter der Diät sprechen häufig von mehr Energie, klarerer Haut, besserem Schlaf und weniger Verdauungsbeschwerden.
Warum ist Carnivore gerade so ein Trend?
Ein wichtiger Grund für den aktuellen Hype ist der Frust vieler Ex-Veganer. Sie berichten oft von Nährstoffmängeln, Energieverlust, Verdauungsproblemen oder hormonellen Störungen während ihrer pflanzenbasierten Ernährung – und finden in der Carnivore-Diät scheinbar das Gegenteil: Einfachheit, Sättigung, schnelle Ergebnisse. Diese persönlichen Erfolgsgeschichten sind oft emotional, beeindruckend – aber leider selten differenziert.
Was dabei oft übersehen wird: Nur weil eine Ernährung zunächst Besserung bringt, heißt das nicht automatisch, dass sie langfristig gesund ist.
Warum du die Carnivore-Diät kritisch sehen solltest
Auch wenn sie dir auf den ersten Blick viele Vorteile verspricht, birgt die Carnivore-Diät erhebliche Risiken – vor allem langfristig:
- Eingeschränkte Nährstoffvielfalt: Viele Menschen, die sich carnivor ernähren, konsumieren hauptsächlich Muskelfleisch, Eier und vielleicht noch etwas Käse. Das Problem: Diese Lebensmittel decken nicht alle essentiellen Nährstoffe ab. Vor allem Vitamin C, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, bestimmte B-Vitamine oder Antioxidantien fehlen oder kommen nur in sehr geringen Mengen vor.
- Nicht-essentielle Nährstoffe mit großer Wirkung: Auch sogenannte „nicht-essentielle“ Nährstoffe wie Polyphenole oder bestimmte Präbiotika (z. B. resistente Stärke) haben wichtige Funktionen für deine Gesundheit, etwa für den Darm, das Immunsystem oder die Zellgesundheit.
- Mangelgefahr – wie bei veganer Ernährung: Ironischerweise ähneln sich Carnivore und vegane Ernährung in einem Punkt: Beide sind stark restriktiv und erhöhen damit das Risiko für Mangelerscheinungen – wenn du nicht genau weißt, was du tust.
Die Realität: Mangelndes Wissen und zu viel Radikalität
Die wenigsten Menschen haben eine fundierte Ausbildung in Ernährungswissenschaft oder Biochemie. Trotzdem entscheiden sich viele für radikale Ernährungsumstellungen – ohne zu wissen, welche Nährstoffe sie aus ihrer Ernährung streichen oder wie sie diese gezielt ersetzen könnten.
Bei einer echten Carnivore-Diät müsstest du eigentlich Tiere „von Kopf bis Fuß“ essen – inklusive Leber, Niere, Knochen, Knochenmark, Haut, Blut etc. Nur so wäre eine umfassende Versorgung mit allen benötigten Nährstoffen überhaupt realistisch. Kaum jemand praktiziert das konsequent – und genau das macht die Ernährung langfristig problematisch.
Gibt es auch Vorteile?
Ja, einige Vorteile lassen sich durchaus beobachten – zumindest kurzfristig oder bei bestimmten Erkrankungen:
- Weniger Antinährstoffe und Allergene: Keine Lektine, Gluten oder Oxalate – das kann hilfreich sein, wenn du empfindlich darauf reagierst.
- Höhere Bioverfügbarkeit: Tierische Produkte liefern Nährstoffe in einer Form, die dein Körper oft leichter aufnehmen kann.
- Weniger Ballaststoffe: Für manche Menschen mit Reizdarm oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen kann das eine Erleichterung sein.
Aber: Diese Vorteile lassen sich auch erreichen, ohne vollständig auf Pflanzen zu verzichten.
Fazit: Radikaldiäten sind selten die Lösung
Eine radikal tierbasierte Ernährung kann in bestimmten medizinischen Ausnahmefällen eine temporäre Option sein – aber nur unter ärztlicher und ernährungswissenschaftlicher Aufsicht. Für die breite Bevölkerung ist sie nicht zu empfehlen.
Wenn du das Gefühl hast, pflanzliche Lebensmittel nicht gut zu vertragen, ist es viel sinnvoller, deine Ernährung gezielt anzupassen, statt sie komplett umzustrukturieren. Eine moderate Reduktion bestimmter Lebensmittelgruppen (z. B. FODMAPs, Nachtschattengewächse...) kann oft schon viel bewirken – idealerweise begleitet von einem kompetenten Ernährungsberater.
Dein Körper braucht Vielfalt – keine Extreme
Ob vegan oder carnivor: Extreme bergen immer Risiken. Der menschliche Körper ist für Vielfalt gemacht – und eine ausgewogene Ernährung, die deinen individuellen Bedürfnissen entspricht, ist langfristig fast immer der bessere Weg.
Tipp: Hör auf deinen Körper, aber informiere dich gut – und hol dir bei Unsicherheit professionelle Unterstützung.