Blutwerte werden oft als der ultimative Gesundheitscheck angesehen. Du gehst zum Arzt, lässt ein Blutbild machen, und wenn die Ergebnisse im Normbereich liegen, wiegt man sich schnell in Sicherheit: "Alles in Ordnung, ich bin gesund und gut versorgt." Doch das ist ein großer Trugschluss. Warum? Lass uns tiefer eintauchen.
Was wird bei einem normalen oder großen Blutbild überhaupt bestimmt?
Ein normales Blutbild umfasst die Untersuchung der roten und weißen Blutkörperchen sowie der Blutplättchen. Das große Blutbild erweitert diese Untersuchung um verschiedene Unterarten der weißen Blutkörperchen. Die Normwerte, die dabei herangezogen werden, stammen aus statistischen Mittelwerten einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Doch hier liegt bereits ein Problem:
- Die Normwerte basieren nicht auf dem Ideal eines gesunden Menschen, sondern auf Durchschnittswerten, die auch von Lebensstil, Alter und anderen Faktoren beeinflusst werden.
- Ein Wert innerhalb der Norm heißt nicht automatisch, dass du gesund bist. Genauso wenig bedeutet ein Wert außerhalb der Norm zwangsläufig, dass du krank bist.
- Die meisten Menschen lassen ihre Blutwerte bestimmen, weil sie bereits Symptome oder Beschwerden haben. Ein Ergebnis innerhalb des Normbereichs kann daher auch bedeuten, dass du nicht vollständig gesund bist, sondern sich die Werte schlicht im Durchschnitt der getesteten, oft ebenfalls nicht vollkommen gesunden, Bevölkerung bewegen.
Ein Blutbild gibt also einen kleinen Einblick in den aktuellen Zustand deines Bluts – aber nicht in den Gesamtzustand deines Körpers.
Das Blut: Mehr als ein Transportmittel
Blut ist das wichtigste Transportmedium deines Körpers. Es verteilt Nährstoffe, Sauerstoff und Hormone und entsorgt Abfallstoffe. Doch das bedeutet auch:
- Ein hoher Gehalt eines bestimmten Nährstoffs im Blut zeigt nicht, dass dein Körper gut damit versorgt ist. Es heißt lediglich, dass dieser Stoff aktuell im Blut zirkuliert.
- Dieser Stoff kann aus deiner letzten Mahlzeit stammen, aus den Speichern deines Körpers oder sogar aus dem Abbau eigener Gewebe (z. B. Muskeln).
Blut ist also ein temporäres Abbild von Transportvorgängen. Es ist kein Speicher und gibt daher keine sichere Auskunft darüber, ob dein Körper über ausreichend Nährstoffe verfügt.
Warum Blutwerte wenig über die Nährstoffversorgung aussagen
Die Stoffe im Blut ändern sich ständig. Faktoren wie Uhrzeit, körperliche Aktivität, Stress, Schlaf oder deine letzte Mahlzeit beeinflussen die gemessenen Werte massiv. Ein einziger Messpunkt ist daher kaum aussagekräftig. Beispielhaft sei Eisen genannt:
- Ein erhöhter Eisenwert im Blut kann darauf hindeuten, dass dein Körper gerade Eisen aus der Nahrung aufgenommen hat. Problematisch ist, dass dies oft fälschlicherweise als Zeichen einer guten Versorgung interpretiert wird, obwohl es lediglich den aktuellen Transportstatus widerspiegelt. Der tatsächliche Zustand deiner Eisenspeicher bleibt dabei unberücksichtigt. Eisen wird im Körper hauptsächlich in der Leber, der Milz und im Knochenmark sowie in Form von Ferritin in den Zellen gespeichert.
Einzelne Blutwerte können dir also kaum sagen, ob du langfristig gut versorgt bist.
Wofür sind Blutwerte sinnvoll?
Das heißt aber nicht, dass Blutuntersuchungen überflüssig sind. Sie sind hilfreich, um:
- akute Krankheiten oder Entzündungen zu erkennen (z. B. durch CRP-Werte oder weiße Blutkörperchen).
- Hinweise auf ernste Mangelzustände zu bekommen (z. B. ein stark erniedrigter Vitamin-B12-Spiegel). Vitamin B12 wird hauptsächlich in der Leber gespeichert, und die körpereigenen Speicher reichen bei einem gesunden Menschen oft mehrere Jahre. Ein Mangel lässt sich daher nicht immer zuverlässig über Blutwerte erkennen, da selbst normale Blutwerte einen beginnenden Speicherabbau verdecken können.
- Organfunktionen zu überprüfen (z. B. Leberwerte oder Nierenwerte).
Für die Prüfung deiner allgemeinen Nährstoffversorgung sind Blutwerte jedoch kaum geeignet.
Nährstoffe, die oft überprüft werden, obwohl es wenig Sinn macht
Es gibt Nährstoffe, deren Blutwerte häufig missinterpretiert werden:
- Magnesium: Der Magnesiumspiegel im Blut bleibt oft stabil, selbst bei einem Mangel, da der Körper Magnesium aus den Speichern in die Blutbahn mobilisiert.
- Vitamin D: Ein erhöhter Wert kann durch eine kurzzeitige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln verursacht sein, ohne dass deine Speicher tatsächlich gut gefüllt sind.
- Kalzium: Der Kalziumspiegel im Blut bleibt in der Regel stabil, da der Körper Kalzium aus den Knochen mobilisieren kann, selbst wenn die Ernährung nicht ausreichend ist.
- Zink: Ein Zinkmangel zeigt sich oft nicht im Blut, da Zink überwiegend in den Zellen gespeichert wird und der Blutspiegel daher nur begrenzt aussagekräftig ist.
- Folsäure: Ähnlich wie bei Vitamin D kann ein kurzzeitig erhöhter Wert durch Nahrungsergänzungsmittel täuschen, ohne dass der tatsächliche Bedarf langfristig gedeckt ist.
Warum eine Ernährungsanalyse sinnvoller ist
Statt dich auf Blutwerte zu verlassen, solltest du deine Ernährung unter die Lupe nehmen. Ein Ernährungstagebuch, das du gemeinsam mit einem Ernährungsberater auswertest, gibt dir Aufschluss darüber, ob du genügend Vitamine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe zu dir nimmst. Nur wenn deine Ernährung langfristig alle wichtigen Nährstoffe abdeckt, kannst du sicher sein, dass dein Körper gut versorgt ist.
Zusätzlich kann ein Ernährungsberater feststellen, ob es Defizite in deiner Ernährung gibt, die möglicherweise zu Symptomen führen könnten. Sollte jedoch trotz einer bedarfsdeckenden Ernährung weiterhin der Verdacht auf Probleme wie Malabsorption (z. B. durch Darmprobleme), Allergien oder Unverträglichkeiten bestehen, muss dies durch einen Facharzt überprüft werden. Der Ernährungsberater kann in solchen Fällen lediglich Hinweise geben und Vermutungen äußern, aber keine Diagnosen stellen.
Fazit: Ein ganzheitlicher Ansatz ist entscheidend
Blutuntersuchungen können nützliche Hinweise liefern, aber sie reichen nicht aus, um ein umfassendes Bild deiner Gesundheit zu zeichnen. Ein normales Blutbild bedeutet nicht automatisch, dass du rundum gesund bist, ebenso wenig wie ein auffälliger Wert zwangsläufig auf ein ernsthaftes Problem hindeutet. Statt sich allein auf Blutwerte zu verlassen, solltest du deine Ernährung und deinen Lebensstil ganzheitlich betrachten. Ein Ernährungsberater kann dir helfen, mögliche Defizite in deiner Ernährung aufzudecken und zu beheben. Bleiben Symptome trotz einer bedarfsdeckenden Ernährung bestehen, ist eine Abklärung durch einen Facharzt unerlässlich, um zugrundeliegende medizinische Probleme auszuschließen. Letztlich ist die Kombination aus fundierter Ernährungsanalyse, ärztlicher Diagnostik und einem bewussten Umgang mit deinem Körper der beste Weg, um langfristig gesund zu bleiben.
Quellenangaben
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Empfehlungen zur Nährstoffversorgung.
- Robert Koch-Institut: „Normwerte und ihre Bedeutung in der Diagnostik“.
- Fachartikel über die Rolle des Bluts als Transportmedium (Journal of Clinical Medicine).
- National Institutes of Health (NIH): „Vitamins and Minerals – Critical Roles in Health and Disease“.
- World Health Organization (WHO): Guidelines on Micronutrient Deficiencies.