In den sozialen Medien wie TikTok und Instagram begegnen uns viele Ernährungs-, Gesundheits- und Fitness-Influencer, die täglich eine Vielzahl von Inhalten über ihr Essverhalten, ihre sportlichen Aktivitäten und gesundheitliche Themen posten. Sie stellen sich oft als "Experten" und "positive Vorbilder" dar. Viele dieser Influencer haben jedoch keine echten Qualifikationen. Viel schlimmer noch: Oft handelt es sich um gestörte Persönlichkeiten, die selbst mit Verhaltensstörungen wie Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brech-Sucht) oder Binge-Eating (regelmäßig auftretende Essanfälle ohne gewichtsregulierende Maßnahmen) zu kämpfen haben. Um ihre Verhaltensstörung zu "bekämpfen", nutzen sie das "Influencing" oft als Teil einer versuchten Selbsttherapie. Dies resultiert jedoch häufig in einer gefährlichen Überkompensation, wodurch sie von einem Extrem (beispielsweise Magersucht) in ein anderes Extrem (beispielsweise Sportsucht) fallen. Dies kann für ihre Follower schwerwiegende Folgen haben.
Die Wurzeln der Überkompensation
Überkompensation ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Menschen übermäßig versuchen, vergangene Schwächen oder Fehler zu kompensieren. Diese Verhaltensweise findet sich häufig bei Personen, die in der Vergangenheit an Essstörungen oder anderen gesundheitlichen Problemen litten. Eine ehemals magersüchtige Person könnte beispielsweise einen extremen Perfektionismus in Bezug auf Ernährung und Fitness entwickeln, um nie wieder in den Zustand der Magersucht zurückzufallen. Aber auch Personen, die früher stark übergewichtig waren, könnten in dasselbe Muster verfallen und ein übertriebenes Gesundheitsbewusstsein zur Schau stellen.
Bei einer ehemals magersüchtigen Person könnte das Überkompensationsverhalten als Influencer konkret so aussehen: Nach ihrer Genesung beginnt sie, ihre neuen Essgewohnheiten und Fitnessroutinen intensiv auf Social Media zu teilen. Sie postet ständig Bilder von ihren perfekt zubereiteten, „gesunden“ Mahlzeiten und teilt minutiöse Details ihrer intensiven Trainingspläne. Dabei betont sie oft, wie wichtig es ist, diszipliniert zu sein und kontrolliert zu essen, um fit und gesund zu bleiben. Diese Person könnte extremen Perfektionismus an den Tag legen, indem sie ihre Follower dazu ermutigt, strikte Diäten und rigide Fitnessprogramme zu befolgen, ohne Raum für Flexibilität oder Ausnahmen. Ihr Social-Media-Profil wird zu einem Schaufenster ihrer Überkompensation, wobei sie versucht, durch die Bestätigung und Bewunderung ihrer Follower ihre eigenen Unsicherheiten zu überwinden. Diese Inszenierung vermittelt jedoch ein ungesundes Ideal und kann bei ihren Followern das Risiko für neue Essstörungen oder andere psychische Probleme erhöhen.
Überkompensatives Influencing als Selbsttherapie
Für viele dieser Influencer dient das überkompensative Influencing auf Social Media als eine Form der Selbsttherapie. Sie suchen Bestätigung und Anerkennung durch das Teilen ihrer scheinbar gesunden Lebensweise. Dabei ist es jedoch problematisch, dass sie oft selbst nicht vollständig geheilt sind und weiterhin an pathologischen Verhaltensmustern festhalten. Ihr Einfluss auf gesunde Menschen kann verheerend sein, da sie diese wiederum auch in ungesunde Verhaltensweisen hineinziehen.
Follower, die nach einem gesunden Lebensstil suchen, nehmen das extreme Verhalten dieser pathologischen Influencer als Vorbild. Sie beginnen, ihre eigenen Ess- und Fitnessgewohnheiten zu hinterfragen und möglicherweise ähnliche ungesunde Muster zu entwickeln. Die vermeintlich inspirierenden Posts verstärken so die Verbreitung von Essstörungen und übertriebenem Perfektionismus, anstatt tatsächlich zu einem gesunden Lebensstil zu führen.
Gesunde Menschen können durch den Einfluss von Überkompensations-Influencern in verschiedene Störungen geraten. Hier sind drei mögliche Beispiele:
- Orthorexie: Ein zwanghafter Fokus auf das Essen nur „gesunder“ Lebensmittel. Diese Fixierung auf „reine“ Ernährung kann zu sozialen Isolationen, Mangelernährung und einem gestörten Essverhalten führen.
- Exzessives Training (Sportsucht): Ein ungesunder Drang, übermäßig Sport zu treiben, der zu körperlichen Verletzungen, chronischer Erschöpfung und negativen Auswirkungen auf das soziale und berufliche Leben führen kann.
- Körperdysmorphe Störung: Eine übermäßige Beschäftigung mit vermeintlichen Mängeln im eigenen Aussehen, die oft durch den Vergleich mit idealisierten Darstellungen auf Social Media verstärkt wird. Dies kann zu erheblichem emotionalem Stress, sozialem Rückzug und extremen Maßnahmen führen, wie übermäßige Kosmetik, plastische Chirurgie, Bodybuilding oder gar der Missbrauch fragwürdiger Substanzen wie anabole Steroide.
Gefährliches Halbwissen und falsche Autoritäten
Diese Überkompensation führt oft dazu, dass betroffene Personen ihre eigene scheinbare Genesung und ihren vermeintlichen Erfolg in den sozialen Medien teilen. Oft befinden sie sich jedoch gar nicht auf dem Weg der Heilung, sondern lediglich auf dem Weg in eine andere heranwachsende Störung. Für eine Weile scheinen sie fit, gesund und "vorbildlich", doch früher oder später werden sie in ein Loch fallen. Das Problem dabei ist auch: Sie verfügen über kein fundiertes Wissen im Bereich Ernährung, Fitness oder Gesundheit. Sie verbreiten gefährliches Halbwissen und können aufgrund mangelnder Bildung wichtige Gesamtzusammenhänge nicht verstehen oder vermitteln. Ihre vermittelten Inhalte basieren in der Regel auf Google-Suchergebnissen, ChatGPT-Antworten oder einfach auf Inhalten von anderen "Influencern", die selbst keine qualifizierten Experten sind.
Einige Beispiele für gefährliches Halbwissen:
- Unrealistische Diätpläne: Influencer propagieren extreme Diäten, die mehr schaden als nützen können.
- Falsche Trainingsmethoden: Sie empfehlen Trainingspläne und -methoden, die ungesund oder sogar gefährlich sein können.
- Pseudowissenschaftliche Gesundheitsratschläge: Sie verbreiten unbelegte Behauptungen beispielsweise über Nahrungsergänzungsmittel und Detox-Kuren.
Kommerzielle Absichten und die Gefahr verzerrter Darstellungen
Zusätzlich zu ihrem überkompensativen Verhalten gehen viele dieser Influencer Kooperationen mit Sponsoren, wie z.B. Anbietern von Nahrungsergänzungsmitteln, ein. Diese Partnerschaften bringen kommerzielle Absichten ins Spiel, was dazu führt, dass die Influencer verzerrte Darstellungen und einseitige Informationen verbreiten, um die Interessen ihrer Sponsoren zu unterstützen. Sie präsentieren Produkte als Wundermittel oder als unverzichtbare Bestandteile eines gesunden Lebensstils, ohne auf mögliche Risiken oder Nebenwirkungen hinzuweisen. Die Mischung aus krankhafter Überkompensation, gefährlichem Halbwissen, Beeinflussung durch kommerzielle Interessen und einem gezielten Framing von Informationen birgt enorme Gefahren für ihre Follower. Diese können leicht in die Irre geführt werden und ungesunde oder gefährliche Produkte und Praktiken übernehmen, in dem Glauben, es handele sich um fundierte Ratschläge von vertrauenswürdigen Experten. Tatsächlich aber folgen sie den Anweisungen von Influencern, die sowohl psychisch instabil als auch finanziell motiviert sind.
Die Epidemie des „kranken Influencings“
Die Reichweite dieser Influencer kann eine regelrechte Epidemie auslösen. Ihre Follower, oft junge und beeinflussbare Menschen, nehmen diese Pseudo-Experten ernst und ahmen ihr Verhalten nach. Dies kann dazu führen, dass immer mehr Menschen in ungesunde Verhaltensmuster und Essstörungen geraten. Diese neuen Opfer können wiederum selbst in ein Überkompensationsverhalten verfallen und als zukünftige "Influencer" dasselbe schädliche Verhalten weiterverbreiten. Ein Teufelskreis entsteht, der schwer zu durchbrechen ist und eine Pandemie der Verhaltensstörung breitet sich unkontrolliert aus.
Wie Du Dich schützen kannst
Es ist wichtig, dass Du Dich von Influencern, die keine echten Qualifikationen besitzen, nicht leiten oder inspirieren lässt. Hier sind einige Tipps, wie Du Dich schützen kannst:
- Überprüfe die Qualifikationen: Achte darauf, ob der Influencer eine fundierte Ausbildung oder anerkannte Zertifikate im Bereich Ernährung, Fitness oder Gesundheit vorweisen kann.
- Hinterfrage Ratschläge: Sei kritisch und hinterfrage die Empfehlungen der Influencer. Recherchiere selbst und konsultiere qualifizierte Fachleute, die keine Influencer sind.
- Achte auf Warnsignale: Übermäßiger Perfektionismus, extreme Diäten oder Trainingspläne und pseudowissenschaftliche Aussagen sind klare Warnsignale.
- Setze auf echte Experten: Suche Dir Rat bei qualifizierten Ernährungsberatern, Fitnesstrainern und Ärzten, die über fundiertes Wissen und echte berufliche Praxiserfahrung verfügen.
Fazit
Die scheinbar perfekte Welt von Fitness-, Ernährungs- und Gesundheits-Influencern auf Social Media ist auf den ersten Blick sehr verlockend, birgt jedoch enorme Gefahren. Insbesondere Menschen, die als Teil ihrer Überkompensation "influencen", können (oft unbewusst) schädliches Verhalten bei ihren Followern auslösen und gefährliches Halbwissen oder gar Fehlinformationen verbreiten. Schütze Dich und Deine Gesundheit, indem Du Dich von echten, ausgebildeten Experten und Ärzten außerhalb von Social-Media beraten lässt und indem du die "Empfehlungen" und "Ratschläge" aus sozialen Medien kritisch hinterfragst. Nur so kannst Du sicherstellen, dass Du Deinen eigenen Weg zu einem gesunden und ausgewogenen Leben findest.
Soziale Medien wie Instagram und TikTok sind aufgrund dieser Problematik zu hochgefährlichen Orten geworden. Hier werden gesunde Menschen von kranken Persönlichkeiten gefährlich beeinflusst, ohne es zu merken. Diese kranken Menschen haben, zusammen mit perfektionierten Marketingmaschen und Sponsoren wie Nahrungsergänzungsmittel-Anbietern, einen Weg gefunden, sich selbst als vertrauenswürdige und qualifizierte Experten und Vorbilder darzustellen. Was auf den ersten Blick wie ein virtueller Ort voller Experten scheint, ist in Wirklichkeit eine virtuelle Psychiatrie, in der die Kranken die Gesunden „therapieren“. Diese kranken Patienten (Influencer) versuchen verzweifelt, sich selbst zu therapieren und suchen zwanghaft Aufmerksamkeit für ihr Überkompensationsverhalten. Wir müssen erkennen, dass wir uns in sozialen Medien wie Instagram oder TikTok nicht in einem Raum der echten Expertise befinden, sondern in einer gefährlichen Illusion, die tiefgreifende und schädliche Auswirkungen auf unser Leben und unsere Gesundheit haben kann. Diese Illusion wird von Marketingabteilungen geldgieriger Unternehmen und psychisch gestörten, aufmerksamkeitsbedürftigen Influencern geschaffen, die eigentlich in eine geschlossene Anstalt gehören.